Interventionen im dystopischen Raum.

Präambel

Die Erodierung der Stadtkerne ist ein weit verbreitetes Phänomen. In Paderborn sind der Königsplatz und der unterirdische ZOB durch Leerstände gekennzeichnet, Angsträume tun sich auf. Dem begegnet die Stadt mit Umbaumaßnahmen: zeitgemäßere Fassaden, neues Pflaster und Beleuchtung sollen den Ort aufwerten. Demgegenüber stehen die Ruinen einer überholten Vision vergangener Jahrzehnte. Wie können Künstler_innen dieser Situation begegnen? Wie soll man überhaupt darauf reagieren?
Der Leerstand ist ein Möglichkeitsraum. Die Ruine eine Chance für künstlerische Intervention, eine Stelle, die Fragen aufwirft, uns auffordert zu reagieren. Perspektive: Abriss. ist gedacht als Kollaboration unterschiedlicher Akteure, welche gemeinsam einen Ort durch dekadente Handlungen überführen - die kurz bevorstehende Zerstörung immer mitgedacht.

any collective

"any collective sind Menschen mit unterschiedlicher beruflicher und sozialer Herkunft und Fähigkeiten, die Einfluss auf konkrete künstlerische Projekte nehmen. Deren Mitwirkende können sich projektbezogen immer wieder anders zusammensetzen.
Projektbeteiligung kann einerseits durch unmittelbare Teilnahme an Ideenfindung, Diskussionen und Werken geschehen. Andererseits umfasst any collective auch alle die Einflüsse, deren Nennung im Rahmen der Verwirklichung von Projekten keine Erwähnung finden. So können alltägliche Smalltalks mit Verkäufer_innen diese zu einem anonymen Teil von any collective werden lassen in Bezug auf ein konkretes Projekt.
Eine Aneignung des Namens any collective für künstlerische Projekte wäre somit theoretisch für Alle möglich."
(Carsten Schade)

Das Projekt Perspektive: Abriss. könnte ein solches Kollektiv durchaus darstellen. Nicht nur agieren vor Ort "Menschen mit unterschiedlicher beruflicher und sozialer Herkunft und Fähigkeiten", sondern auch scheinbar außenstehende Parteien, wie die Abrissfirma oder zufällige Passanten, werden von unserer Seite als involviert mitgedacht - und das Reagieren auf deren Einflüsse ist unverkennbar. Während der Organisation haben wir (in dem Fall Miriam Schröder und Tim Pickartz) lange diskutiert, welche Struktur und damit welche Hierarchie und Außendarstellung das Projekt haben soll. Sind wir ein Künstlerduo? Holen wir uns Hilfe bei unserem Projekt? Sind wir Kuratoren? Am Ende fiel die Entscheidung von "Teilnehmer_innen" zu sprechen und uns auch selbst unter diesem Begriff zu subsumieren - die Organisation als ehrenvolle Aufgabe, nicht als Herausstellungsmerkmal. Auch dies klingt nach any collective. Dennoch unterscheidet sich Perspektive: Abriss. in (mindestens) drei Merkmalen:

  • Perspektive: Abriss. ist nicht any, sondern many: Nicht jede_r beliebige soll mitmachen - das HOT ist kein Haus der Offenen Tür mehr - es sollen viele mitmachen. Einige bekamen einen Vertrauensvorschuss und wurden eingeladen, andere haben von sich aus Interesse gezeigt, wieder andere wurden annektiert. Dies ist nicht elitär oder ausschließend. Es bedeutet nur einen sorgsamen Umgang mit dem Ort und dem Projekt.
  • Perspektive: Abriss. ist kein collective, nur collecta: Wir sind kein Kollektiv. Einige der Teilnehmer_innen kannten sich vorher nicht, kennen sich nachher nicht. Es gibt kein Manifest. (Ist dieser Text eines?) Nur eine Wegrichtung, der einige folgen - manche auf eigenen Wegen, manche in der Spur derjenigen, die vorausgingen. Vielleicht werden wir - oder Teile von uns - durch das Projekt ein Kollektiv?
  • Perspektive: Abriss. wählt die Langform: any collective ist reizvoll, da es deutlich macht, dass das (künstlerische) Genie nie alleine da steht, eine Vielzahl von Zuarbeitern besitzt. Gleichzeitig verschleiert es diese aber auch, da sie zusammengefasst werden. Da wir kein Kollektiv sind, lassen wir uns nicht zusammenfassen, jede_r steht auch für sich. Wir nennen deshalb alle Namen der Beteiligten. In der Hierarchie des Alphabets. Innerhalb dieser ist nicht relevant, wer wie oft kommt, was gemacht wird und wer man ist.
Auch wenn any collective somit nicht Perspektive: Abriss. sein kann, begrüßen wir sehr, dass dieses Konzept durch Carsten Schade zum Projekt hinzugekommen ist. Und im Grunde müsste man den Namen aller Teilnehmer_innen mit "& any collective" versehen. "Carsten Schade & any collective" nimmt somit eine Stellvertreterposition ein.

Reste eines gemeinsamen Abendessens der Teilnehmer_innen innerhalb
einer Arbeit von Carsten Schade & any collective
Einige Projektskizzen von Carsten Schade & any collective, zum freien Weiterentwickeln, Ergänzen  und Umsetzen für alle Teilnehmer_innen:




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